Im Sommer 2020 kündigten wir an, unser Unternehmen um einen Beirat zu ergänzen. Da unsere Community eine zentrale Rolle bei uns einnimmt, war für uns klar, dass sie eine Stimme in diesem Gremium bekommen würde. Wir schrieben die Stelle aus und erhielten darauf über 170 Bewerbungen. Schlussendlich lag es in den Händen unserer Unterstützer, welcher der Bewerber das Rennen machen sollte. Mit über 50 Prozent der Stimmen konnte Sebastian Böttger die Mehrheit von sich überzeugen. In unserem Interview sprechen wir mit Sebastian über seine Ziele als Beirat, wie er vom Zweifler zum Unterstützer wurde und warum er denkt, dass in zehn Jahren niemand mehr verzweifelt nach Parkplätzen sucht.
Hi Sebastian! Erzähl unseren Lesern doch ganz kurz wer du bist und was du machst, wenn du nicht gerade über den Sion nachdenkst.
Sehr gerne! Mein Name ist Sebastian Böttger, ich bin 47 Jahre alt, komme aus München und bin gelernter Elektroingenieur. Seit etwa 20 Jahren bin ich als Unternehmer tätig und leite eine Firma für Software-Anwendungen. Wir entwickeln unter anderem digitale Dienste für die Automobilbranche. Ich selbst fahre seit 2013 komplett elektrisch und habe auch meine eigene Solaranlage auf dem Dach. Und, ganz wichtig, meine Reservierungsnummer ist die #4774!
Nicht schlecht! Damit liegst du aktuell im oberen Mittelfeld. Erzähl uns doch kurz, wieso du dich dazu entschieden hast, dich als Beiratsmitglied zu bewerben.
Bei mir kamen drei Dinge zusammen. Erstens wollte ich gerne aktiv zur Entwicklung des Sion beitragen. Ein klassischer Job bei Sono kam für mich aber nicht in Frage, da ich meine eigene Firma habe und hier auch Verantwortung für mein Team trage.
Zweitens diskutiere ich seit Jahren in diversen Foren und auf Facebook intensiv über Sono Motors und den Sion. Ich war auch auf fast allen bisherigen Events, bei denen ich viele Menschen aus der Community kennengelernt habe. Umgekehrt kennen auch mich einige der aktiven Mitglieder – nicht zuletzt aufgrund meiner Sonntagskolumne.
Zum Dritten kann ich auch fachlich viel Erfahrung einbringen, da ich seit zehn Jahren in der Elektromobilität und der Energiewirtschaft aktiv bin. Als eure E-Mail mit den Kriterien zur Anforderung an die Kandidaten kam, fand ich, dass auf der Beschreibung mehr oder weniger mein Name draufstand. Und daher freue ich mich auch sehr, dass es geklappt hat.
Wie bist du auf Sono Motors aufmerksam geworden?
Das Projekt kenne ich beinahe von Anfang an. Zu Beginn hat mich das Konzept neugierig gemacht, daher war ich 2017 auch auf der ersten Probefahrt im Olympiazentrum. Dem damaligen Zeitplan und einigen Alleinstellungsmerkmalen des Sion stand ich zu Beginn sehr kritisch gegenüber. Zum Beispiel kamen mir eine Auslieferung im Jahr 2019 und die versprochenen Eigenschaften zu solch einem Preis extrem ambitioniert vor.
Trotzdem hat mich brennend interessiert, ob das mit der Solar-Integration tatsächlich funktioniert und annähernd die Reichweite bringt, die ihr angebt. Deswegen habe ich auch bei den öffentlichen Finanzierungs-Kampagnen auf Seedrs und WiWin mitgemacht. Ich war und bin nach wie vor sehr neugierig, ob das wirklich funktioniert.
Interessant! Wie hat sich deine Einstellung zu unserem Projekt über die Zeit verändert?
Wie schon erwähnt, war ich zu Beginn sehr kritisch – und das bin ich natürlich auch immer noch. Als Community-Beirat ist das ja auch eine meiner Aufgaben. Allerdings bin ich sehr viel zufriedener mit der Art und Weise, wie ihr seit der großen Finanzierungs-Kampagne 2019 auftretet und kommuniziert. Das Projekt hat sich seitdem geerdet.
Es gab eine nachvollziehbare Roadmap, eine transparente Finanzplanung und konkrete Maßnahmen, um kommende Meilensteine zu erreichen. Änderungen im Timing gibt es bei jedem Projekt und ich finde das auch nicht tragisch, solange jeder die Konsequenzen kennt und man auf Anpassungen reagieren kann. Deswegen wirke ich in meiner Position als Beirat auch aktuell darauf ein, die Zeitplanung wieder auf die Webseite zu bringen.
Ich habe Sono gerne kritisiert – aber im Kern halte ich das Projekt Sion für richtig und wichtig. Die großen OEMs wollten alle Mobilitätsdienstleister sein, davon ist nichts mehr übrig, die Joint Ventures sind alle aufgekündigt oder verkauft. Autos werden wieder größer und teurer. Seit 15 Jahren wollen unsere OEMs Geld mit digitalen Services verdienen, aber mehr als kostenpflichtige Karten-Updates kamen nicht dabei raus. Der Sion bietet hier neue Ideen, und es lohnt sich, den Weg dafür frei zu machen.
Ist das auch der Grund, warum du einen Sion reserviert hast?
Meine erste Reservierung habe ich aus Neugier abgegeben. Ich wollte wissen, ob Solar auf dem Auto etwas bringt. Und weil Sono damals 5.000 Reservierungen einsammeln wollte, um in Serie zu gehen, dachte ich mir – “ok, das will ich sehen!”
Ich bin immer noch gespannt, wieviel Strom durch die Solar-Integration wirklich erzeugt werden kann. Damit meine ich im echten Fahrzeug mit Straßenzulassung unter alltäglichen Bedingungen und nicht nur auf dem Papier. Ich drücke Mathieu und dem Team von Sono Solar alle Daumen.
Welche Dinge betrachtest du aktuell als kritisch, welche als positiv?
Positiv sehe ich die Motivation des Teams. Alle, mit denen ich bisher Kontakt hatte, stehen voll hinter dem Projekt und setzen sich ein so gut es geht. Außerdem bewundere ich die Bereitschaft, Dinge anders anzupacken – trotz des Risikos, dass es vielleicht nicht klappt. Sono möchte nicht einfach ein Auto bauen und dabei so viel Profit wie möglich machen. Es geht darum, ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen, das einen wertvollen Beitrag im Kampf gegen die Erderwärmung leisten möchte.
Kritisch sehe ich nach wie vor den immer noch ambitionierten Zeitplan und das damit verbundene Budget. Manche Probleme kann man zwar wirklich mit innovativen Ideen bekämpfen, andere wiederum aber nur mit Zeit und/oder Geld. Das Gute: Sono schafft es mehr und mehr Leute anzuheuern, die solche Risiken immer weiter beherrschbar machen.
Als Beirat repräsentierst du die Community innerhalb des Unternehmens. Was sind Punkte, die du in dieser Position verbessern möchtest?
Wie jeder in der Community möchte ich, dass es der Sion auf die Straße schafft. Daneben habe ich mir drei weitere große Ziele gesteckt.
Transparenz steht für mich klar an erster Stelle. Einmal in Richtung des Unternehmens, um die Erwartungshaltung der Community adäquat zu vertreten, andererseits auch in Richtung der Community, um Verständnis für das ein oder andere Thema zu wecken. Informationen müssen transparent und nachvollziehbar aufbereitet sein, damit jeder weiß, wie weit es der Sion noch zur Serienreife hat, und es hier keine Spekulationen gibt. Hier sind wir auf einem guten Weg und probieren neue Formate aus, beispielsweise den „Live-Check“ vom neuen Prototyp als Video, oder auch einfach bewährte Werkzeuge wie die sonntäglichen Sono News auf meinem Blog.
Außerdem braucht die Community langfristig eine echte Struktur – ein Team, nicht nur einen einzelnen Beirat. Dazu werde ich zum Beispiel bald die interaktive Karte wieder aufleben lassen, in der sich jeder Reservierer eintragen kann. So kann man sich, falls man möchte, einfacher untereinander vernetzen.
Zuletzt noch das Thema Vertrauen. Aktuell habe ich das Vertrauen von Sono Motors sowie das Vertrauen der Community. Das ist zumindest mein aktueller Eindruck. Schon jetzt schreiben mir viele Menschen völlig unverblümt ihre Meinung und das erachte ich als ein gutes Zeichen. Solange das so bleibt, kann ich meine neue Rolle sehr gut ausfüllen. Das möchte ich bewahren. In einer perfekten Zukunft sitzen irgendwann alle in einem Sion, der mit dem Feedback der Community besser und besser wurde – und ich konnte dabei helfen.
Jetzt haben wir viel über Sono und über deine neue Rolle als Beirat gesprochen. Uns reizt zu fragen als jemand, der als Software-Entwickler selbst in der Branche arbeitet: Wie stellst du dir Mobilität in zehn Jahren vor?
Wir werden in den nächsten Jahren einen großen Wandel sehen. Das Silicon Valley hat nach den Handys jetzt die Mobilität - und vor allem die Elektromobilität - als neue Spielwiese entdeckt. Ich denke, dass immer mehr am Auto digitalisiert wird und damit in die Cloud wandert. Das Auto von morgen lebt dort als „digitaler Zwilling“. Das hätte den Vorteil, dass Dinge wie Stau-Vermeidung, TÜV, Parkgebühren, und auch Verkehrsplanung als Ganzes komplett neu gedacht werden könnten.
Aufgrund dieser Datenmengen wird man Ausfälle am Fahrzeug noch präziser vorhersagen können als heute, deutlich bevor das Bauteil wirklich kaputt geht. Schon heute gibt es erste Apps die anzeigen, wo jemand aus einem Parkplatz herausgefahren ist. In 10 Jahren wird man in Städten keinen Parkplatz mehr suchen, das Auto wird den Fahrer genau zum nächsten freien Platz navigieren – einfach, weil die Cloud genau weiß, wo welches Auto steht, und sogar wo gerade jemand eingestiegen ist, um auszuparken.
Der Sion ist mit seinen Schnittstellen auf einem guten Weg, in dieser neuen Welt der „Software Defined Vehicles“ optimal integriert zu sein. Durch die Community werden wir ein Auge darauf haben, dass auch nur Daten übertragen werden, die man dafür benötigt. Spätestens 2025 möchte ich, dass bei mir im Auto beim losfahren eine Meldung auftaucht „möchtest Du auf deiner Fahrt jemand mitnehmen ja/nein?“. Und 2030 soll mir das Auto sagen, dass ich gar nicht selber losfahren muss, weil in zwei Minuten jemand vorbeikommt, der mich genau zu meinem Ziel mitnehmen kann.
Da sind deine und unsere Vorstellung über die Zukunft nah beieinander. Vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch! Gibt es abschließend noch etwas, dass du an uns oder die Community loswerden möchtest?
Danke für euer Vertrauen! Wer mich erreichen möchte, kann mir unter seb@sono.community eine Mail schicken oder auf sono.community kommentieren. Und wer möchte, kann dort ab März eintragen wo er reserviert hat, damit wir wieder eine Karte haben, auf der wir sehen können wo die Community sitzt. Ich freu mich sehr, mit euch in Kontakt zu kommen!